Prof. David Hunter ist Rheumatologe mit Fokus auf klinische und translationale Forschung im Bereich der Arthrose (OA). Er ist Inhaber des Florance-and-Cope-Lehrstuhls für Rheumatologie und Professor für Medizin an der Universität Sydney (Australien).

 

Dr. Shrestha (Thuasne®): Welche Eigenschaften haben die Patienten, die Sie derzeit behandeln, und wie hat sich das Profil der Kniearthrose-Patienten im Laufe der Zeit verändert?

Prof. Hunter: Arthrose ist eine äußerst heterogene Erkrankung, und ebenso vielfältig sind die Symptome der Patienten. Wir beobachten einige wichtige Trends in der Patientengruppe, die sich in Behandlung begibt.

Mit der alternden Bevölkerung kommen zunehmend Patienten im hohen Alter, bis hin zu Menschen über 90 Jahre und sogar Hundertjährigen, die ihre Unabhängigkeit und Lebensqualität bewahren möchten.

Auch gibt es immer mehr jüngere Erwachsene, die deutlich früher als erwartet an Arthrose erkranken, oft aufgrund von Übergewicht oder früheren Gelenkverletzungen.

 

Dr. Shrestha (Thuasne®): Was ist der größte beeinflussbare Risikofaktor für Kniearthrose?

Prof. Hunter: Die wichtigsten beeinflussbaren Risikofaktoren für Kniearthrose sind Fettleibigkeit und Gelenkverletzungen.

Übergewicht ist für fast 50 % des Risikos verantwortlich, während Gelenkverletzungen etwa 20–25 % ausmachen.

Obwohl diese Faktoren seit langem bekannt sind, wird aus Sicht der öffentlichen Gesundheit leider wenig getan, um diese Risiken zu minimieren, obwohl wir durch Prävention viele Krankheitsfälle verhindern könnten.

 

Dr. Shrestha (Thuasne®): Welche Untersuchungen sind erforderlich, um die Ursache von Knieschmerzen zu bestätigen?

Prof. Hunter: Es ist wichtig zu beachten, dass es eine lange Liste von Differentialdiagnosen gibt, die zu Knieschmerzen beitragen können, darunter Arthrose, entzündliche Arthritis, ein Meniskusriss, Bänderrisse, das patellofemorale Schmerzsyndrom, Bursitis und eine Reihe weniger häufiger, aber potenziell dringenderer Zustände wie Traumata, Infektionen oder kristallinduzierte Arthritis. Die häufigeren Diagnosen haben wir in einer kürzlich erschienenen Publikation im JAMA [1] detailliert beschrieben.

In den meisten Fällen können die gängigen Diagnosen durch eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung gestellt werden. Beispielsweise sind Sensitivität und Spezifität für die Diagnose von Arthrose auf der Grundlage dieser klinischen Untersuchungen sehr hoch.

 

Dr. Shrestha (Thuasne®): Welche Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, Arthrose zu entwickeln?

Prof. Hunter: Einer der wichtigsten Faktoren ist die Vorgeschichte von Gelenkverletzungen beim Patienten. Zusätzlich scheint der Patient häufig ein höheres Gewicht als gesund zu haben und führt oft einen überwiegend sitzenden Lebensstil. All diese Faktoren können das Risiko für die Entwicklung von Kniearthrose erhöhen. Im Allgemeinen gibt es bei vielen Patienten meist mehr als einen Risikofaktor, der sie anfälliger für diese Erkrankung macht.

 

Dr. Shrestha (Thuasne®): Welche Strategien helfen Patienten, Schmerzen zu lindern und das Fortschreiten der Arthrose zu verlangsamen?

Prof. Hunter: Im ersten Schritt ist es entscheidend, dass der Patient die Erkrankung versteht. Eine der grundlegenden Maßnahmen in der Behandlung ist, den Betroffenen über die Krankheit, ihre Behandlungsmöglichkeiten und die meist günstige Prognose aufzuklären. Weitere zentrale Aspekte der Therapie, die für den Patienten von Bedeutung sind, umfassen eine Steigerung der körperlichen Aktivität, therapeutische bzw. kraftbasierte Übungen und die Reduktion des Körpergewichts. Abhängig davon, wie erfolgreich diese Lebensstil- und Verhaltensänderungen umgesetzt werden, stehen verschiedene weitere Optionen zur Verfügung, um die Schmerzen zu lindern und möglicherweise das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen.

 

Dr. Shrestha (Thuasne®): Welche Informationen sind für die Patienten wichtig?

Prof. Hunter: Zunächst ist es wichtig, dem Patienten zuzuhören, seine Geschichte zu verstehen und nachzuvollziehen, welchen Weg er bereits hinter sich hat. Dabei sollte man versuchen, herauszufinden, was der Patient bereits weiß und welche Mythen er möglicherweise gehört hat. Ein zentrales Prinzip im Umgang mit Arthrose ist es, voneinander zu lernen und gemeinsam relevante Ziele und Pläne zu entwickeln, die für die betroffene Person sinnvoll sind.

Wesentliche Botschaften, die während eines solchen Gesprächs vermittelt werden sollten, umfassen die Verbesserung des Verständnisses der Krankheit, das Aufklären über unzutreffende Mythen und das Stärken des Patienten, damit er in der Lage ist, selbst aktiv zu werden. Dies könnte beispielsweise die Ermutigung umfassen, die körperliche Aktivität zu steigern, regelmäßige Bewegung zu fördern und sicherzustellen, dass auch andere Aspekte der Gesundheit – insbesondere die mentale und soziale Gesundheit – berücksichtigt werden. Es ist entscheidend, dem Patienten zu vermitteln, dass er viel tun kann, um die Krankheit zu bewältigen, und dass es wichtig ist, proaktiv zu sein und dabei mit Gesundheitsfachkräften zusammenzuarbeiten, die ihn auf diesem Weg unterstützen können.

 

Dr. Shrestha (Thuasne®): Kann eine App die Behandlung von Kniearthrose verbessern?

Prof. Hunter: Es gibt eine Vielzahl von Lösungsansätzen, um die grundlegenden Lebensstil- und Verhaltensmaßnahmen zu fördern, die wir Menschen mit Arthrose ans Herz legen möchten. Dazu zählen persönliche Betreuung, telemedizinische Angebote und zunehmend auch digitale Anwendungen. Solche digitalen Tools umfassen oft zentrale Managementprinzipien wie das Setzen gemeinsamer Ziele, die Überwachung von Symptomen und körperlicher Aktivität sowie den Aufbau einer Wissensbasis. Diese ermöglicht es den Betroffenen, mehr über Möglichkeiten zur Steigerung der körperlichen Aktivität, therapeutische Übungen und Gewichtsreduktion zu erfahren. Ziel ist es, das Wissen und Verständnis der Patienten zu erweitern und sie so zu befähigen, ein vollständigeres und funktionelleres Leben zu führen. Es ist wichtig anzuerkennen, dass viele solcher Anwendungen derzeit getestet und weiterentwickelt werden.

 

Dr. Shrestha (Thuasne®): Welche evidenzbasierten Behandlungsstrategien werden für Kniearthrose empfohlen?

Prof. Hunter: Zu den zentralen Behandlungsansätzen bei Arthrose gehören die Aufklärung über die Erkrankung, die Steigerung der körperlichen Aktivität, therapeutische bzw. kräftigende Übungen sowie die Optimierung des Körpergewichts. Weitere Details zu diesen verschiedenen Therapieoptionen finden Sie auf der Website MyJointPain.

 

Dr. Shrestha (Thuasne®): Welche fortgeschrittenen Behandlungsmöglichkeiten gibt es, und wie sieht die Zukunft der Arthrosebehandlung aus?

Prof. Hunter: Je nach Symptomatik stehen eine Reihe weiterer therapeutischer Optionen für Menschen mit Arthrose zur Verfügung. Beispielsweise ist es wichtig, begleitende Beschwerden wie Angst, Depressionen oder Schlafstörungen zu erkennen, da sie eine wichtige Rolle bei den Symptomen spielen. Diese Faktoren sind veränderbar und sollten im Rahmen der Behandlung mit gezielten Therapien adressiert werden. Ebenso können bei erheblichen Gleichgewichtsproblemen Aktivitäten wie Tai-Chi besonders hilfreich sein. Falls mechanische Fehlstellungen der Gelenke vorliegen, können Orthesen und andere unterstützende Hilfsmittel, einschließlich angepasster Schuhe, eine gute Unterstützung bei mechanischen Gelenkschmerzen oder Instabilität bieten, die im Zusammenhang mit Arthrose auftreten können. Es gibt zudem eine Reihe von Therapien, die derzeit für das Management von Arthrose entwickelt werden. Ich habe kürzlich über einige dieser Therapien und deren Entwicklungsstand publiziert [2].

 

[1] Duong V, Oo WM, Ding C, Culvenor AG, Hunter DJ. Evaluation and Treatment of Knee Pain: A Review. JAMA. 2023 Oct 24;330(16):1568-1580. doi: 10.1001/jama.2023.19675. PMID: 37874571.

[2] Siddiq MAB, Oo WM, Hunter DJ. New therapeutic strategies in osteoarthritis. Joint Bone Spine. 2024 Apr 27;91(6):105739. doi: 10.1016/j.jbspin.2024.105739. Epub ahead of print. PMID: 38685527.